Automatisierungslösungen in der Medizintechnik worauf müssen Zulieferer achten?

Die Herstellung von medizinischen Geräten sowie Pharmazeutika unterliegt aus Gründen der Patientensicherheit einer Vielzahl an rechtlichen Auflagen. Bei der Konzeption von hochwertigen Automatisierungslösungen in den Bereichen Medizintechnik, Biotechnologie und Pharmazie stellt sich aus regulatorischer Sicht stets die Frage, inwiefern bzw. mit welchem Aufwand bestimmte Produkte oder Komponenten von Zulieferern in Produktionsanlagen integriert werden können. Da die Beurteilung der Konformität von Produktionsequipment zu unserem Tagesgeschäft als Experten im Bereich Medical Systems Engineering bei konplan gehört, haben wir Ihnen in diesem Blog eine Übersicht über diesbezügliche Herausforderungen und Anforderungen zusammengestellt.

Automatisierte Produktionsprozesse stellen für die Life Science Industrie einen wirtschaftlichen und qualitativen Vorteil dar. Vernetzte digitale Systeme, angefangen bei der Auftragserfassung bis hin zur Verpackung, ermöglichen es, Produkte effizienter und zugleich nachverfolgbarer herzustellen. Somit steigt im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit und der Qualität die Nachfrage nach Automatisierung – die sogenannte Industrie 4.0 bahnt sich an und gilt als «Produktion der Zukunft». Schon heute bieten spezialisierte Zulieferer flexible Softwarelösungen für Produktions-/ Montage-/ und Messtechniksysteme an, die sich quasi in alle Produktionsanlagen und Netzwerke integrieren lassen.

Für die Hersteller von Automatisierungs- oder Messtechniklösungen bedeutet dies, dass sie sich neben ihrer technischen Expertise zusätzlich fundierte Kenntnisse über regulatorische Anforderungen – beispielsweise für die Medizintechnikbranche – aneignen müssen. Da es sich hierbei um ein umfangreiches, schwer verständliches und sich änderndes Wissensgebiet handelt, kommt es nicht selten zu Missverständnissen zwischen Kunden und Herstellern bzw. Zulieferern: Der Wissensstand ist zu unterschiedlich, u.U. werden Zertifizierungen erwartet, wo es tatsächlich keine gibt oder wofür keine benötigt werden. Insbesondere Industrielieferanten, die bisher keine direkten Berührungspunkte mit dem Marktsegment Medizintechnik hatten, stehen vor einer besonderen Herausforderung.

Folgende Fragen müssen Industrielieferanten im Vorfeld klären:

  • Was wird der Verwendungszweck des eigenen Produkts sein: Wird es Teil eines Medizinprodukts oder wird es «nur» für die Herstellung eines Medizinprodukts verwendet?
  • Welche regulatorischen Vorgaben sind bzw. wären anzuwenden und wie sind sie konkret für das eigene Produkt umzusetzen?
  • Muss sich der Lieferant zertifizieren lassen, im Fall der Medizintechnik nach ISO 13485?
  • Sind der Entwicklungsprozess und das Qualitätswesen des Lieferanten geeignet? Muss etwas angepasst werden?
  • Welcher Aufwand ergibt sich, wenn das eigene Produkt im Rahmen einer Zulassung als Medizinprodukt oder für die Medizingeräteproduktion validiert/qualifiziert werden muss?

Produktionsequipment für Medizingeräte

Ein konkretes Beispiel: Das Erzeugnis des Zulieferers wird als «Produktionsequipment» für Medizingeräte verwendet und enthält (komplexe) Software. Unter Produktionsequipment sind Betriebsmittel zu verstehen, die zur Herstellung, Verarbeitung oder Verpackung von Medizingeräten in Produktionsanlagen oder -Räumen eingesetzt werden, wie Prüf-, Analyse- und Messgeräte, Versorgungs- und Entsorgungssysteme für Medien (z.B. Luft, Wasser, Prozessgase).

Hersteller von Produktionsanlagen müssen die Gute Engineering-Praxis (Good Engineering Practice – GEP) befolgen. Hierzu zählen Standards und Vorgehensweisen bei der Entwicklung von Medizinprodukten sowie bei der Planung, Errichtung und dem Betrieb von Produktionsanlagen. Im regulierten QM/GMP-Bereich müssen sie zusätzlich die Anforderungen der Guten Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice – GMP) beachten. GMP-Regeln definieren z.B. Anforderungen an Personal und Hygiene, technische Anlagen und Gebäude, Ausgangsmaterialien, Herstellprozesse, Qualitätskontrollen und Selbstinspektionen. Beide Qualitätssicherungskonzepte – GMP und GEP – haben zum Ziel, dass die hergestellten Produkte den gewünschten Qualitätsanforderungen entsprechen.

Regulatorische Vorgaben bei der Lieferantenauswahl

Um die Kosten und die Qualität eines Produktes zu verbessern, sollte die Auswahl des Lieferanten gezielt erfolgen. Die Qualifizierung, das Monitoring und die Entwicklung eines Lieferanten unterliegen zudem regulatorischen Anforderungen. Denn letztendlich tragen die Hersteller von Medizinprodukten die volle Verantwortung für ihre Produkte und Dienstleistungen. Sie sind im Zweifelsfall haftbar und für die Beseitigung von Gefahrenquellen durch fehlerhafte Produkte zuständig. Ob die Fehlerquelle durch einen Zulieferer eingebracht wurde, ist irrelevant.

Die QM-Systemvorschriften für Medizingerätehersteller, die EN ISO 13485:2016 und die FDA 21 CFR 820, regeln diese Verantwortlichkeit eindeutig:

ISO 13485, §7.4.1: „Die Organisation muss dokumentierte Verfahren einführen um sicherzustellen, dass die beschafften Produkte die festgelegten Beschaffungsanforderungen erfüllen.“ Weiterhin muss gewährleistet werden, dass Produkte entsprechend den Anforderungen der Organisation geliefert werden.

21 CFR 820.50 „Each manufacturer shall establish and maintain (documented) procedures to ensure that all purchased or otherwise received products and services confirm to specified requirements“. QSR, Abschnitt 50(a): „Each manufacturer shall evaluate and select potential suppliers, contractors and consultants on the basis of their ability to meet specified requirements“.

Forderungen an den Lieferanten

Häufig kaufen Hersteller von Medizinprodukten automatisierte Anlagen und Systemlösungen „ab Lager“ (off-the-shelf, OTS). Grund hierfür ist der direkte Zugriff auf eine vorgefertigte Lösung für die eigene Produktion. Wie bereits erwähnt ist der Hersteller jedoch in der Verantwortung, dass jedes einzelne Segment der eigenen automatisierten Anlage den regulatorischen Anforderungen für Medizintechnik entspricht. Eine Validierungsbewertung ist daher unabdingbar. Im Idealfall kann der Hersteller oder eine anerkannte Stelle den Lieferanten auditieren, um zu einer Beurteilung der Entwicklungs- und Validierungsdokumentation zu gelangen. Falls ein Audit abgelehnt wird oder kein adäquates Qualitätsmanagement System inklusive Dokumentation vorliegt, kann beispielsweise ein Black Box Test in der Produktionsumgebung bei der Evaluierung helfen.

Grundsätzlich gilt: Je kritischer der Einfluss des Produktionsequipments auf die Qualität des produzierten Endprodukts ist, desto entscheidender ist die «Qualität» des Lieferanten.

Lieferantenaudit: Der Entwicklungsprozess des Lieferanten

Sobald das Produktionsequipment besonders komplex ist oder Software einen wesentlichen Anteil ausmacht, steht die Prüfung des Entwicklungsprozesses des Lieferanten im Mittelpunkt des Audits. Folgende Punkte werden untersucht:

  • Geht der Lieferant nach einem dokumentierten Entwicklungsprozess vor (gemäss ISO 9001, vgl. Stufen-/Phasenmodell in GAMP 5)?
  • Wird nach einem sauberen Konfigurations- und Versionsmanagement vorgegangen? Kann der Lieferant zu jedem Entwicklungsstand (Prototyp, Serie, nach Änderungen) entsprechende Spezifikationen, Pläne, Zeichnungen, Hard-, Software- und Konfigurations-Stände sowie weitere Entwicklungsdokumenten vorlegen?
  • Inwiefern werden die erforderlichen Normen eingehalten? Beispiel Reinraum: Luftgüte, Kontamination durch Öl/Materialabrieb, Oberflächenbeschaffenheit, …
  • Falls das Equipment Software enthält ist CFR 820 Part 11 zu beachten

Haben wir Ihr Interesse geweckt? Weitere Informationen zum Thema «Automatisierungslösungen in der Medizintechnik» gibt es im nächsten Blog. Erfahren Sie, wie das Gesetz der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA, 21 CFR Part 11 zur „Elektronischen Aufzeichnungen und elektronischen Unterschriften“, in der Life-Science-Industrie den Übergang von papierbasierten manuellen Systemen zu computergestützten elektronischen Systemen ermöglicht.

Autor: Martin Penckwitt, Quality Engineer

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